Über die Fastenzeit

Ein wenig mehr? Das soll ein Thema im Bezug auf die Fastenzeit sein? Und doch, der heilige Benedikt setzt immer auf die Stärken seiner Mönche und nicht auf Verzicht um jeden Preis.

Nach dem Motto „ein wenig mehr“ versteht er die Fähigkeit eines jeden zum Verzicht. Wohl gemerkt, hier steht die Fähigkeit des Menschen (der Schwester), der frei ist und entscheiden kann, wo er mehr oder eben weniger braucht. Im Mittelpunkt steht nicht der Verzicht für sich sondern es ist ein Aufruf vergrabene Möglichkeiten wieder zu gebrauchen, sich wieder neu zu orientieren und zu entdecken, was Gott uns geschenkt hat. Ein wenig mehr ist ein universaler Begriff, der die Verantwortung für das Handeln dem Mönch selber gibt.Der erste Vers des Kapitels über die Fastenzeit heißt: Der Mönch soll zwar immer ein Leben führen wie in der Fastenzeit. Gleich aber im zweiten Vers berücksichtigt die Regel die Schwächen der Mönche und sagt: Dazu aber haben nur wenige die Kraft. Ja, das ganze lange Jahr, 12 Monate lang und so Jahr für Jahr. Benedikt ist ein Realist, es ist tatsächlich so, dass dazu nur wenige die Kraft haben. Gleich kommt aber der Rat (nicht: das Gebot), dass wir wenigstens in diesen Tagen der Fastenzeit in aller Lauterkeit auf unser Leben achten.

In aller Lauterkeit, also mit Freude, ein wenig mehr Lust wie sonst, wer denkt an Freude, wenn wir heutzutage über Fastenzeit oder Bußzeit sprechen? Diese Zeit assoziieren wir eher mit Trauer und Niedergeschlagenheit. Freuen darf man sich ja erst zu Ostern. Aber Benedikt animiert seine Mönche „freudige Geber“ zu sein, denn: Gott liebt den freudigen Geber (RB 5,16/2 Kor 9,7).

Was sollen also die Mönche (und Schwestern) in dieser Zeit tun? Nun lesen wir weiter in der Regel: gemeinsam in diesen Tagen die früheren Nachlässigkeiten tilgen. Die Regel Benedikts ist seinem literarischen Stil nach sehr dicht und kompakt geschrieben, da muss man jedes einzelne Wort richtig „verkosten“ jedem Wort nachgehen, um vielleicht ein wenig näher der Intention Benedikts und seiner Zeit zu kommen und um diese für unsere Zeit „übersetzen“ zu können. So bleibe ich gleich bei dem Wort „gemeinsam“ hängen. Es scheint dem Heiligen Benedikt wichtig zu sein, bevor er einige Übungen zu Fastenzeit empfiehlt, auf dieses gemeinsame Handeln hinzuweisen. Na ja, wenn alle gemeinsam ein wenig mehr tun… dann gibt es viel Erfolg. Was sollen also die Mönche gemeinsam tun: die früheren Nachlässigkeiten tilgen.

Das kann ganz verschiedenes bedeuten. Für jeden aber, der die benediktinische Lebensweise kennt, klingen hier vor allem die Anliegen der Professverpflichtung durch: frühere Nachlässigkeiten tilgen heißt, sich von schlechten Gewohnheiten abwenden und sich um besseres Handeln bemühen also CONVERSATIO und das alle Mönche gemeinsam. Auf diese Weise erinnert der Hl. Benedikt jede Benediktinerin und jeden Benediktiner wenigstens in dieser Zeit dieses Gelübde besonders zu leben; ein wenig mehr CONVERSATIO! Achtsamer zu sein und mit Lauterkeit der Professverpflichtung nachzukommen.

Wie sollen wir es tun? Auch dazu gibt Benedikt einfache Rezepte: das geschieht dann in rechter Weise, wenn wir uns 1. vor allen Fehlern hüten, 2. um das Gebet unter Tränen und die Lesung und 3. um die Reue des Herzens und um Verzicht mühen. Die Reihenfolge ist interessant: zuerst schau, dass du achtsam bist und nicht sündigst, achte auf das was du tust und denkst, ein wenig mehr wie sonst, zeige zuerst deine Bereitschaft, deinen guten Willen. Dann folgt das Gebet; ohne mit Gott in Verbindung zu bleiben, schafft du das alles nicht, Gebet unter Tränen bedeutet, frühere Sünden und Nachlässigkeiten bereuen, das macht uns demütig und aufmerksam auf andere, es hilft uns, die Mitschwestern und Menschen um uns mit ihren Fehlern anzunehmen. Nicht umsonst sagt man, aus den Fehlern kann man lernen. Bete …, ein wenig mehr wie sonst. Und jetzt erst folgt der Schritt an den wir eigentlich gleich denken, wenn wir über Fastenzeit sprechen: sich im Verzicht mühen. Ja, es ist eine Mühe, du sollst dich nicht „gehen lassen“, nicht mit der „Wellness-Gesellschaft“ mitschwimmen und konsumieren ohne nachzudenken, ob du es wirklich brauchst und ob es deinem Körper und deiner Seele gut tut und vor allem, ob es von Gott stammt. Ein wenig mehr Verzicht bedeutet unter Umständen, dass du überhaupt erst lernst, zu verzichten. Hab Mut dazu. Nein sagen zu können ist eine Urfähigkeit des Menschen. Du kannst NEIN sagen, du musst nichts tun, nur weil es „in“ ist oder weil die anderen es tun. Mache dich frei und entscheide selbst. Ein bewusstes JA schenkt uns Freude, ein bewusstes NEIN schenkt uns Freiheit.

Die Regel ermutigt uns weiter in diesen Tagen über die gewohnte Pflicht unseres Dienstes hinauszugehen, das heißt ein weites Herz gewinnen, nicht kleinlich sein, nicht berechnen, sondern einfach alles achtsam, in Lauterkeit und zur Ehre Gottes tun, ob es Verzicht beim Essen oder ein gutes Wort ist, ob es ein wenig mehr Einsatz für die anderen ist oder ein Verzicht auf inhaltslose Unterhaltung am Handy, durch Internet oder Fernseher: das muss jeder für sich entscheiden.

Es ist einfach nur EIN WENIG MEHR. Das genügt! So können wir mit geistlicher Sehnsucht und Freude das heilige Osterfest erwarten.

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 Regula Benedicti Kapitel 49: Die Fastenzeit

1. Der Mönch soll zwar immer ein Leben führen wie in der Fastenzeit.

2. Dazu aber haben nur wenige die Kraft. Deshalb raten wir, dass wir wenigstens in diesen Tagen der Fastenzeit in aller Lauterkeit auf unser Leben achten

3. und gemeinsam in diesen heiligen Tagen die früheren Nachlässigkeiten tilgen.

4. Das geschieht dann in rechter Weise, wenn wir uns vor allen Fehlern hüten und uns um das Gebet unter Tränen, um die Lesung, die Reue des Herzens und um Verzicht mühen.

5. Gehen wir also in diesen Tagen über die gewohnte Pflicht unseres Dienstes hinaus durch besonderes Gebet und durch Verzicht beim Essen und Trinken.

6. So möge jeder über das ihm zugewiesene Maß hinaus aus eigenem Willen in der Freude des Heiligen Geistes Gott etwas darbringen;

7. er entziehe seinem Leib etwas an Speise, Trank und Schlaf und verzichte auf Geschwätz und Albernheiten. Mit geistlicher Sehnsucht und Freude erwarte er das heilige Osterfest.

8. Was aber der einzelne als Opfer bringen will, unterbreite er seinem Abt. Es geschehe mit seinem Gebet und seiner Einwilligung;

9. denn was ohne Erlaubnis des geistlichen Vaters geschieht, wird einmal als Anmaßung und eitle Ehrsucht gelten und nicht belohnt.

10. Also werde alles mit Einwilligung des Abtes getan.