Gedanken zum Beginn des Advents

Im wöchentlichen Kapitel konfrontierte Priorin Sr. Magdalena uns mit der Frage: Wollen wir/willst du ab-warten oder er-warten?

Es gibt ein leeres, von banger Sorge erfülltes Warten, das in Untätigkeit erstarren lässt oder sich in Betriebsamkeit verläuft.
Wartend fliehe ich in einen Scheinwelt. Ich warte ab.
Das Ersehnte bleibt aus, unbemerkt zieht es spurlos an mir vorbei.
Abwarten, sich in Routine hineinkuscheln.

Anders ist Warten, das von Hoffnung getragen ist.
Warten auf ein wichtiges Ereignis, warten auf die Begegnung mit einem geliebten Menschen.
Diese Warten lebt vom Wissen um geschenktes Miteinander.

Das heißt ‚erwarten‘.

Was erwartest du/erwarte ich in diesem Advent?

Wen erwartest du?

ER wartet auf dich – erwartest du Ihn?

Christliches Warten zielt nicht ins Leere, ist kein passives Abwarten.
Jesus Christus, der uns im Tod und am Ende der Tage entgegenkommt, lebt schon jetzt in unserer Mitte.
In Ihm ist Gottes Antlitz aufgeleuchtet.
Für immer hat Gott sich uns zugewendet.
Wartend gehen und leben wir Seiner stets neuen Ankunft entgegen in aktiver, neugieriger, freudiger Erwartung.

Seit langem blickt Er uns an – Er wartet.
Wir sollen Leben aus seinem Blick und Ihn erwarten.
Auch wenn er sein Antlitz scheinbar verbirgt.

Wartend hart auf den Herrn,
wer in der Anfechtung, unter der Last der Schuld, der Arbeit, des Scheiterns, der Krankheit aus dem Glauben an den Vater Kraft schöpft;
Wartend hart auf den Herrn,
wer mitten in der Not klagend und dankend Gott als Vater preisen kann.

Wartend hart auf den Herrn,
wer erkennt und eingesteht, dass er Seinem Anruf,
Seinem Blick ausgewichen ist, auf sich selbst gebaut hat und auf die eigenen Kraft vertraut hat – und dass er sich Ihm auch jetzt noch versagt.

Wartend hart auf den Herrn,
wer sich von Ihm aufrichten lässt, weil er weiß, dass
Er, der Erlöser, ist unser Vater.
Er löst alle Verzweiflung, alles Leid, alle Schuld.

Wartend hart auf den Herrn,
wer Ihn mit brennendem Interesse sucht, wer nicht von Ihm weicht
wer im Dunkeln nach Licht sucht, in der Verzweiflung nach Hoffnung Ausschau hält,
denn nur Er gewährt Leben in Fülle und Licht im Dunkeln.

Wartend hart auf den Herrn,
wer aus der Kraft erfahrener Nähe wagt, noch mehr von Ihm zu erwarten:
mehr an Tiefe und Verbundenheit mit Ihm und den Menschen,
mehr an Bereitschaft, dieser Verbundenheit auch im Alltag zu entsprechen,
die Kommunion auf allen Ebenen des Lebens zu verkosten, zu verwirklichen, zu erleben.

Wartend hart auf den Herrn,
wer die Zeichen der Zeit und die Erfahrungen des eigenen Lebens mit Erfolg und Scheitern
sieht und versteht, wandelt und ins Leben integriert,
wer wach bleibt im Wissen um seine Verantwortung.

Wartend hart auf den Herrn,
wer mit allen Fasern seines Herzens dem endgültigen Kommen
des Herrn entgegenlebt und diese Kommen in seinen vielfältigen,
oft überraschend anderen Gestalten erkennt;
wer sich vom entgegenkommenden Herrn einholen und heimholen lässt,
jetzt und für immer: Das ist Erwartung.

Warten auf den Herrn,
Geheimnis christlichen Lebens,
Wagnis adventlicher Pilgerschaft;
Abenteuer und Mühsal christlichen Wanderns.

Erwarten – nicht abwarten!

Die Entscheidung triffst du/treffe ich
heute, jeden Tag des Advents und jeden Tag des Lebens.

(Bearbeitung eines Textes aus dem Buch: Advent Weihnachten. Gedanken von Tag zu Tag – von Maria Riebl. Tyrolia Verlag)