Mit diesem Text von Silja Walter wünschen wir Ihnen:
Gesegnete Ostern!
Ihre Benediktinerinnen der Anbetung


Ein Loch in der Mauer

Ein Loch in die Mauer und durchkriechen, sagst du, Herr. Ein Zeichen, sagst du. Mit Reisegepäck und Stab soll ich hindurch. Gut, sieh, da krieche ich schon durch die Öffnung.

Die Mauer durchbrechen, das war ein Problem, das siehst du hier an dem Backsteinhaufen da. Es wäre leichter gewesen, am Seil über die Stadtmauer hinuntergelassen zu werden, im Korb, aber du wolltest den Durchbruch. So hieb ich erst einen Spalt ins Gemäuer, dann brach von selbst eine Luke heraus, immer nicht groß genug für einen Mann, wie ich noch mit Reisegepäck. Bis schließlich – die Leute lachten sich krumm hinter mir inzwischen – der Durchbruch gelang.

Was aber jetzt, was soll’s denn jetzt, Herr, mit mir? Erkläre du ihnen, was du damit meinst, mit dem Loch im Gemäuer und dem Tölpel darin, noch das rechte Bein eingeklemmt, halb drinnen, halb draußen, und hinter mir grinsen uns lärmen sie. Schimpfen wegen des Mauerschadens, wer jetzt das Loch wieder vermache. Herr, es war noch nie anders, ich war schon immer ein Narr.

Aber ich krieche nicht nur, mein Gott, ich sehe hindurch, ich seh durch den Mauerwall, sehe dich dastehn. Die Mauer, die Mauer, das sind nicht Steine, sie ist ein Bild, ein Zeichenbild für die Lage des Menschen, wie sich’s verhält zwischen ihm und dir. Er eingemauert im tödlichen Drinnen. Du draußen, im raumlosen Draußen, im Jetzt und im Licht deines herrlichen Lebens. Dann kommt aber einer, der tut, was du sagst. Man hört Hämmern und Schlagen, da bricht einer durch und zusammen. Das Loch wird sein Grab. Aber die Mauer ist offen. Die Weltmauer, aus Sünde um Sünde, zu Stein erstarrter Sünde errichtet.

Leute, Gott selber kroch durch das Todesloch, ein Jude, Gott.
Er hat uns aus dem Gefängnis heraus zu sich hinübergeholt.
Das Bild könnte man >> Ostern << nennen.

(Wolitz, Ulrike (Hg.): >>Ich habe den Himmel gegessen<<. Silja Walter-Lesebuch. Paulus Verlag, Einsiedeln/Schweiz 2018)