Von 17. – 22. April hielt uns Abt em. Gregor Henckel Donnersmarck unsere Konventexerzitien. Gleich zu Beginn mahnte er uns: „Nicht ICH mache die Exerzitien – SIE machen Exerzitien. Ich trage mit meinen Worten nur dazu bei.“
Am Ende der Exerzitien brachte unsere Subpriorin in ihren Dankesworten das Bild eines Tuches, dass Abt Gregor für uns ausgebreitet hat und aus dem sich jede Schwester verschiedene Körner picken konnte.
Hier einige dieser Körner einer Schwester:
Ich erinnere mich gut an die Sommerferien bei meiner Oma. In ihrem kleinen Gemüsegarten, gleich beim Zaun, gab es immer drei, vier große Eimer ‚fürs Regenwasser‘. „Oma sammelt den Regen“ dachte ich (als ein Stadtkind allerdings ohne zu wissen wieso und wozu). „Sie schafft es aber nie den ganzen Regen zu fangen“ – philosophierte ich weiter bis ich zum Schluss kam, dass doch jeder Regentropf etwas vom ganzen Regen in sich trägt. Das Regenwasser wurde aufbewahrt um in den trockenen Zeiten das Gemüse zu gießen. Klar, Oma war sparsam. Oder sie hatte einfach einen tiefen Respekt vor der Natur und war dankbar für ihre Gaben.
Am ersten Tag unserer Exerzitien regnete es. Als ich am Abend die von mir etwas zersplittert notierte Sätze des Exerzitienleiters (und darin eingeflochtene die eigene Gedanken) las, ist mir das Bild vom ‚Regenwasser‘ sofort eingefallen. Was man in diesen Notizen findet sind nur ‚ein paar Regentropfen‘ aus der ‚Strömen der (Unter)Weisung‘ die der Herr Abt auf uns regnen ließ. Ich hab sie aufbewahrt. Für trockene Zeiten.
„Leben aus der Kraft der Gelübde“
Aus dem Einführungsvortrag
Die Mönche von Tibhirine
Angesichts des Martyriums gibt es nicht so viele Möglichkeiten, eigentlich nur zwei: Bleiben oder Fliehen. Wenn Bleiben – dann für den sicheren Tod. Wenn Fliehen – dann wofür?
„Woran willst Du dich noch klammern, wenn Du in der Hl. Profess schon alles hingegeben hast?“. So (paraphrasiert) Abt Christian de Cherge im Film „Von Menschen und Göttern“.
Was uns noch immer als unsere Habe scheint, ist (angesichts Gottes) nichts. Sich krampfhaft an die Nichtigkeit zu klammern heißt die Verheißung Gottes, die Er mir (!) in der Profess gelobt hat nicht wahrzunehmen: „ICH nehme dich auf und du wirst leben! Und ICH lasse deine Hoffnung nicht scheitern.“
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„Jesus geht mit den Emmausjüngern ein Stück in die falsche Richtung mit (d.h. in die Gegenrichtung zu Jerusalem)“
Es hört sich wie die ‚Fortsetzung der Menschwerdung‘ an. Die unsichtbare, unwahrnehmbare Anwesenheit Gottes im Grauen unseres Alltags. Während wir vor dem, was wir nicht begreifen und vor der Wahrheit, die wir nicht aushalten können, fliehen, geht Er mit. Er stellt viele Fragen. Gleich Sokrates, der seine Umgebung zum Denken provozierte und wie eine Pferdebremse den anderen auf die Nerven ging: „Bist du so fremd in Jerusalem, dass du als einziger nicht weißt, was in diesen Tagen dort geschehen ist?“ (Lk 24, 18) Ja, manchmal macht er sich sogar zu einem ‚Toren‘. Allerdings um unseres Heiles willen.
„Sind Sie eine katholische Nonne? Quasi die Frau vom Boss? Wie ist das möglich?“ (einmal in der U-Bahn.)
Montag, 18. April: „Höre, unterscheide, liebe, schweige!“
Salomo bittet um ein hörendes Herz, damit er das Gute vom Bösen unterscheiden kann („Verleih daher deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht.“ 1. Kön 3,9)
Erstaunliche Kontinuität beim Hl. Benedikt (welche auf die Zeitlosigkeit des Geistes hinweist!): Das „Hören“ als allererste Wort in der Hl. Regel. Die „Discretio“ als eine der Hauptsäulen der monastischen Haltung, die Frucht des Hörens. Doch die Gabe der Unterscheidung ist kein friedlicher, liebevoller Zustand: Wenn das „R“ in Verbindung mit anderen Konsonanten tritt, entsteht (phonetisch wahrnehmbar) ein gewisses „Reiben“. Dies zeigt eine Dynamik, mit der man in der Unterscheidung zu tun hat.
DisCRetio, KRitik, KReuz.
„Es gefiel dem Herrn, dass Salomo diese Bitte aussprach. Daher antwortete ihm Gott: Weil du gerade diese Bitte ausgesprochen hast und nicht (…) um den Tod deiner Feinde gebeten hast (…) werde ich deine Bitte erfüllen“ 1. Kön 3,10-12)
Wie ist mit denen umzugehen, deren Tod für uns fast wie eine ‚Erlösung‘ wäre? Christus bietet uns an: Liebt eure Feinde. Der Christ hat Feinde! Die Feindesliebe besteht jedoch nicht darin, dass man auf eine wunderbare Art und Weise die Feine in Freunde verwandelt – denn so würde dieses Gebot an Kraft und Sinn verlieren. Die Feindesliebe bedeutet, die Feinde als Feinde zu lieben.
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„Als tiefes Schweigen das All umfing und die Nacht bis zur Mitte gelangt war, da sprang dein allmächtiges Wort vom Himmel, vom königlichen Thron herab (…) mitten in das dem Verderben geweihte Land.“ (Weish 18, 14-15)
In diesem Satz haben wir mit einer erstaunlichen Dynamik zu tun: Einerseits: die Nacht, tiefes Schweigen, die ganze Schöpfung wie in einem Schlaf. Mitten in dieser angeblich ‚passiven‘ Stimmun: das Herabspringen des Wortes (Logos), direkt vom ‚königlichen Thron. Dynamisch, ekstatisch!
Schweigen ist keine ‚Lähmung‘, kein Versagen, keine Passivität, es ist stark eschatologisch geprägt, voll Aufmerksamkeit, munter. Schweigen heißt, warten können auf den, der unerwartet kommt. „Meine Seele wartet auf den Herrn mehr als die Wächter auf den Morgen.“ (Ps 130,6)
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„Worüber man nicht sprechen kann, darüber soll man schweigen.“ (nach Wittgenstein)
Dienstag, 19. April: „Suche Gott, Opus Dei“
Realismus des Gott-Suchens: „Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und was in keines Menschenherz gedrungen, hat Gott denen bereitet, die ihn lieben.“ Beim Gott-Suchen versagen die Sinne.
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Apostel Paulus in Athen: „Während Paulus in Athen auf sie wartete, erfasste ihn heftiger Zorn; denn er sah die Stadt voll von Götzenbildern.“ (Apg. 17, 16)
Pluralismus der Wahrheit-EN. Jeder ‚aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit‘ befreite Mensch darf heutzutage einen eigenen ‚Seitenaltar‘, einen eigenen ‚Gott‘ haben. Der Grund, auf dem wir (be)stehen, bebt, weil das Leben ‚mit vielen Göttern‘ ganz u-n-b-e-s-t-ä-n-d-i-g geworden ist: „Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen, die sich um die Dingen ziehen“ – sagt Rilke. Doch trotzdem: „Ich kreise um Gott, um den uralten Turm und ich kreise jahrtausendlang“.
„Denn als ich umherging und mir eure Heiligtümer ansah, fand ich auch einen Altar mit der Aufschrift: EINEM UNBEKANNTEN GOTT. Was ihr verehrt, ohne es zu kennen, das verkünde ich euch. Gott, der die Welt erschaffen hat und alles in ihr, er, der Herr über Himmel und Erde, wohnt nicht in Tempeln, die von Menschenhand gemacht sind. Er lässt sich auch nicht von Menschen bedienen, als brauche er etwas: er, der allen das Leben, den Atem und alles gibt. Sie sollten Gott suchen, ob sie ihn ertasten und finden könnten; denn keinem von uns ist er fern.“ (Apg. 17, 23-25)
Dass es Gott gibt, davon wusste Rilke. Das Einzige, was ihm noch nicht klar war (und was anscheinend keinem von uns selbstverständlich ist), war, wer er selbst (vor Gott) IST: „und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm oder ein großer Gesang.“
Es ist erstaunlich, dass es mich gibt.
Wenn jemand statt Gott einen Gottesbeweis sucht, dann soll er sich das Kontingenzprinzip näher anschauen (Kontingenz = Möglichkeit u. gleichzeitige Nichtnotwendigkeit). Warum ist überhaupt Seiendes und nicht vielmehr Nichts? Warum BIN ich? Wer/was hat die ‚Macht‘ das neue Leben zu (er)schaffen? Die Liebe. Ich BIN, weil mich Jemand liebt. Ich BIN, weil ich gewollt bin. Es war nicht ‚notwendig‘ dass ich bin, doch ICH BIN.
Ohne Gott, der die Liebe ist, sind wir unbegründbar in dieser Welt.
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Gott schuf den Menschen in Freiheit und diese ist für Ihn ‚heilig‘. Er drängt sich nicht auf, sondern will, dass sich der Mensch für Ihn entscheidet. Deshalb ist das menschliche Gott-Suchen mühsam. Das Wort ‚entscheiden‘ beinhaltet d. Verb ‚scheiden‘. Ja, es gibt viele Dinge, von denen wir und auf dem Weg zu Gott hin ‚scheiden‘ müssen…
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Opus Dei: Genitivus Objektivus (von den Menschen Gott erwiesener Dienst) zugleich auch Genitivus Subjektivus (von Gott den Menschen erwiesener Dienst). Liturgie ist ein Dialog der Liebe.
Ein Mönch/eine Nonne definiert sich aus dem Gebet.
Mittwoch, 20. April: „Stabilitas, Kreuz“.
Neben ‚conversatio morum‘ und ‚oboedientia‘ ist stabilitas (Beständigkeit) als das erstes Gelöbnis in der benediktinischen Systematik der Ordensprofess erwähnt.
Das deutsche Wort ‚Beständigkeit‘ bietet, im Hinblick auf die monastische Lebensform, viele Interpretationsmöglichkeiten, wie z.B.: Ständig in Gott/an einem Ort bleiben‘; ‚In Gott bestehen‘ (Apg. 17, 28: „Denn in ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir“); ‚Standfestigkeit im Glauben‘ (Hebr. 11,1: „Glaube aber ist: Feststehen in dem, was man erhofft, Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht“). Als Synonyme sind ‚Gleichmut‘ und ‚Nachhaltigkeit‘ zu erwähnen.
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Aristoteles: [Gott als] Unbewegter Beweger.
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Es kam mal ein junger Mann, der Mönch werden wollte, zum Hl. Bernhard. Doch vor dem Klostereintritt wünschte er sich noch, einen Wallfahrt nach Jerusalem zu machen. „Wenn du ein Mönch sein willst, sagte Hl. Bernhard: HIER ist dein Jerusalem!“
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Kreuz: „In Trost und Süßigkeit kennst du dich o Christ nicht, das Kreuz zeigt dir, wer du wirklich bist.“ (Angelus Silesius)
Das Erstaunliche am Christentum ist, dass es nicht nach einem übernatürlichen Mittel gegen das Leiden, sondern nach einem übernatürlichen Gebrauch des Leidens trachtet. (nach Simone Weil † 1943)
Donnerstag, 21. April
Was haben die Europakrise und daraus folgende Krise in der Kirche mit der Ordensprofess zu tun?
Wenn eine Reform in der Kirche kommt, dann kommt sie nicht aus der Frustration der überforderten Amtsträger sondern aus dem tiefen Gebet der Mystiker – so Herr Abt.
Die Ordensleute sollen in der heutigen Welt Mystiker werden! Die Ordensprofess ist ein öffentliches Geschehen und bedeutet Hingabe an Gott, IN und auch FÜR diese Welt. Das Gebet der Millionen Priester, Mönche und Nonnen geht nicht ins ‚Leere‘. Ja, es wäre ein großer Irrtum, das Ordensleben von der Wirklichkeit abzutrennen. Nachdem die Mystiker ‚Höhe und Tiefe‘ des Übernatürlichen erforscht haben, müssen sie diese ‚in Raum und Zeit‘ am eigenen Leib austragen. Ihnen wird ‚das Gewicht des ganzen Universums‘ auf die Schulter gelegt, damit sie das Gegengewicht fortwerfen – wieder dachte ich an Simone Weil.