Oster-Brief an alle Freunde unseres Klosters
Wien, 8.4.2020
Liebe Freunde unseres Klosters!
Wir stehen kurz vor Ostern und ich möchte zu diesem Anlass Ihnen/Euch ein paar Worte schreiben und so unsere Verbundenheit mit Ihnen bekräftigen. Gleichzeitig möchte ich Sie teilnehmen lassen, wie es uns im Kloster geht, mit einigen älteren Schwestern (sechs davon sind über 80 Jahre alt) und den vielen Kindern, die auch bei uns wohnen.
Vor einigen Tagen musste sich auch unsere Gemeinschaft – wie so viele Christen auf der ganzen Welt – mit der Frage auseinandersetzen: „Wie können wir heuer die Osterliturgie feiern?“. Im gemeinsamen Austausch tauchten zwei Hauptgedanken auf. Diese, so scheint es mir, brachten zwei entscheidende Haltungen der aktuellen Situation zum Ausdruck: Solidarität und Stellvertretung.
So wage ich es, zuallererst solidarisch mit Ihnen und auch stellvertretend eine Frage zu stellen, die uns derzeit stark herausfordert: „Wo ist Gott in der Pandemie-Zeit?“ Schaut Er nur auf das Ganze von oben herab und hofft, dass sich die Menschheit danach etwas ‚bessert‘? Oder ist die Corona-Epidemie gar seine „Strafe“, eine Art Unheil, wie etwa die zehn Plagen Ägyptens, die wir aus dem Alten Testament kennen?
Wie ein Echo aus der Ferne erklingt hier der Ruf der Israeliten in der Wüste Sinai: Ist der Herr in unserer Mitte oder nicht? (Ex. 17,7.) Die biblische Tradition spricht oft über die Einwohnung Gottes im Volk Israel, sowie über seine heilvolle Begleitung des Volkes Israel durch die Geschichte hindurch. Wenn die Rabbinen vom Mit-Seienden, Mit-Gehenden und Mit-Leidenden Gott Israels sprechen, lassen sich alle diese Formulierungen mit der Bezeichnung Schekhina zusammenfassen. Die wichtigste Dimension der Schekhina ist die Begleitung Israels und Gottes Gegenwart im Leid, in der Not, in der Verbannung, in der Knechtschaft und in den dunkelsten Stunden der Zeit des Exils. Selbst durch die Sünde/Schuld und Abfall Israels vom Gott und dem Glauben lässt sich die mitleidende Gegenwart Gottes nicht vertreiben. Immer, wenn die Israeliten geknechtet wurden, wurde die Schekhina – wenn man so kühn sein darf – zusammen mit ihnen geknechtet.
In diesem Kontext scheint die Antwort auf die Frage nach der Anwesenheit Gottes in der Pandemie-Zeit etwas klarer zu werden. Christus hielt nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Diese Ereignisse feiern wir in der Karwoche in der wir uns jetzt befinden. Daher dürfen wir als Christen mutig bekennen, dass Christus gerade mit den Leidenden leidet, mit den Helfenden hilft, mit den Suchenden sucht und mit den Sterbenden stirbt.
Da mich selbst diese Worte stärken, hoffe ich, auch Ihnen damit etwas Mut zu schenken.
Es ist nicht selbstverständlich, dass wir plötzlich auf so vieles verzichten müssen und das so viel auf einmal abgesagt wurde. Doch vergessen wir nicht:
Der Frühling ist nicht abgesagt,
die Liebe ist nicht abgesagt,
die Zuwendung ist nicht abgesagt,
die Freundlichkeit ist nicht abgesagt,
die Hoffnung ist nicht abgesagt,
das Beten ist nicht abgesagt.
Auch Ostern und die Erlösung der Welt durch das Leiden,
den Tod und die Auferstehung Christi sind nicht abgesagt.
So wünsche ich Ihnen Glauben und Zuversicht, dass sich diese Passions-Zeit letztendlich als fruchtbar für Sie und für die ganze Welt erweist.
Wir bleiben in Dankbarkeit mit Ihnen verbunden: in Dankbarkeit für das Leben, dass uns allen hier und jetzt, aber auch in Ewigkeit durch die Auferstehung geschenkt wurde. Wir bleiben stellvertretend für Sie im Gebet und mit Ihnen im Gebet vereint!
Ein gesegnetes Osterfest wünscht
Sr. Magdalena Niescioruk OSB
Priorin der Benediktinerinnen der Anbetung
und alle Schwestern des Konventes