Eine Eselsgeschichte zum Palmsonntag

Gelesen von einer Freundin des Klosters: Esel_Palmsonntag_2015

„Du bist ein Esel“ heißt es, wenn jemand für dumm oder naiv gehalten wird. Ich bin ein Esel, denke ich mir oft, wenn mir etwas nicht gelingt, oder besser gesagt, wenn ich es erwartet habe, dass das was ich tue und dadurch erreichen will auch so bei den Menschen ankommt. Es ist aber oft nicht der Fall und dann bleibt der Esel.

Solche und ähnliche Gedanken gehen mir oft durch den Kopf. Esel ist ein „Symboltier“ und Esel ist DAS Tier, das sich der Herr als jenes Tier ausgesucht hat, das ihn trägt. Natürlich, gehört das zu der Kultur der damaligen Zeit in Jerusalem, trotzdem gewann Ich bin ein Esel_eine Erzählungab da der Esel an Bedeutung. Er ist das Tier des Palmsonntags. Von diesem Gedanken inspiriert traf ich mich am Vorabend des Palmsonntags mit Rosi, einer Eselin, um mich mit ihr darüber auszutauschen, wie es so ist, wenn man eben tatsächlich ein Esel ist (Rosi) und wenn man sich wie ein Esel fühlt (ich). Ich bemühte mich um ein offenes Gespräch von Esel zu Esel.
Na ja, die Rosi wollte mir nichts erzählen, obwohl ich mich sehr darum bemühte. Wahrscheinlich dachte sie sich, es zahlt sich eh nicht aus das Maul aufzumachen, diese Frau da, in schwarz gekleidet, was kann sie schon wissen, wie es so einem Esel geht. So versuchte die Rosi den kurzen Spaziergang, den sie mit mir machen durfte für sich zu nutzen. Sie genoss die warme Frühlingssonne und schnappte sich alles Grün was ihr nur „unter“ das Maul kam. Sie ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, lief paar Schritte weg und ich brauchte alle meine Kraft um sie zu halten. Eindeutig machte sich Rosi nicht viel daraus, dass sie der dumme Esel ist von dem alle sprechen, oder ist sie es nicht?
Rosi hat zwei lange, schöne Ohrwaschel und lauscht die ganze Zeit dem zu, was ich so von mir gebe: dass wir eben so verwandt seien, seelisch meine ich, das ist ja heute so modern einen seelisch Verwandten zu finden (manche meinen sie finden jemand auf Facebook ich eben bei Rosi). Ich erzählte ihr von meinen Bemühungen und Lasten, die ich hin und her schleppe, ohne es manchmal zu verstehen, was für einen Sinn das ergibt. Rosi hört verständnisvoll zu, ihre langen Ohren strecken sich in die Höhe, dann liegen sie fast flach am Kopf, als ob sie sagen wollte, dass es ein Blödsinn sei, was ich da erzähle. Dann plötzlich bewegen sie sich wieder, „schneiden“ fröhlich durch die Luft und die Rosi ist „ganz Ohr“.
Nicht nur die Ohren von Rosi sind aufmerksam, auch die Augen, die wie ein Spiegel sind, verbergen eine Tiefe die mich verzaubert. Diese großen, dunklen Augen von Rosi schauen mich an. In ihnen sehe ich irgendwie eine tiefe, verborgene Sehnsucht. Spiegelt sich da etwas von dem, was meine Augen ausstrahlen? Ist es nicht, die Sehnsucht in mir, nicht als Eselin gesehen zu werden, nicht ein Lasttier zu sein oder „ein dummer Esel“ der selbstverständlich alles tut, alles trägt, auch wenn er es nicht versteht oder nicht mehr kann? Steckt nicht irgendwo tief in mir die Sehnsucht diese Last abzugeben? Da macht man ja den ganzen Tag dies und jenes, bemüht sich da und dort, trägt alles hin und her (auch die Verantwortung) und … was kommt da zum Schluss: das Gefühl viel gemacht doch nichts getan zu haben. Selber dumm, ein Esel.
Ich bin ein Esel_eine Erzählung2Vor fast zwei Tausend Jahren, in Jerusalem lebte ein Ururururverwandter von meiner Rosi. Dieses junge Fohlen, ich glaube, er hieß Rosalius, wurde auserwählt einen Menschen feierlich auf seinem Rücken in die Stadt zu einem Fest hineinzutragen. Dieser Mann war anders, wie die Menschen, die Rosalius bis jetzt traf. Rosalius spürte seine Güte und seine Angst, seine Freude und seine Sehnsucht. Dieser Mann wusste ja, was auf ihn zukommt, dass er bald leiden wird. Trotzdem zieht er feierlich in die Stadt ein und läßt sich bejubeln, weil die Menschen es brauchen, nicht er. Und Rosalius, ein Ururururverwandter von meiner Rosi, ist wieder mal stiller Zeuge. In dieser Menge ist es vielleicht nur er, der es spürt, wie es dem Herrn wirklich geht, wie er zwar fröhlich lächelnd und winkend da sitzt und doch eine Angst vor dieser Menschenmenge in sich verbirgt. Dieser junge Esel, der weiß es besser, er ist nicht dumm. Er stellt sich dem Herrn zur Verfügung und nimmt seine Last auf sich. Rosalius kann auch gut hören und auch in seinen Augen spiegelt sich das was die Menschen um ihn herum ausstrahlen: Hoffnung und Erwartung, dass dieser Mann, der auf ihm reitet, der Retter der Menschheit ist, Hoffnung und Erwartung, dass Er, der Messias ihnen ihre Last des schweren Lebens abnimmt und sie von den Besatzern befreit. Rosalius schaut die Menschen an und denkt sich: dieser Mann ist so sanft, so gütig, er strahlt etwas aus, mit ihm könnte ich immer unterwegs sein. Diese Menschen hier verstehen ihn leider nicht, aber ich spüre es, ich fühle, wie er mich anrührt, wie er mich führt, wie er mich respektvoll behandelt, mich den Esel.
Und nun, was denkt sich vielleicht unsereiner nach 2000 Jahren:
Wenn der Esel tiefer spüren, sehen und hören kann, als die Menschen, dann bin ich eben gern ein Esel.